08.11.2019
Das im Rahmen der ESF-Sozialpartnerrichtlinie geförderte Projekt „DINE NRW“ unterstützt kleine und mittlere Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie sowie dem Handwerk bei der Bewältigung der digitalen Transformation.
Im Interview schildert das DINE-Projektteam, bestehend aus Andreas Franke (Projektleitung, mpool Consulting GmbH), Martin Hilbig (Organisations- und Personalentwicklung), Dr. Marcel Beller (Unternehmerverbände Dortmund) und Hans Jürgen Meier (ehem. IG Metall), welche Ziele das Projekt verfolgt und wo kleine und mittlere Unternehmen mit der Digitalisierung starten sollten.
Ist die Digitalisierung für kleine und mittlere Unternehmen, gerade aus den Bereichen Industrie und Handwerk, Herausforderung, Chance oder beides zugleich?
Andreas Franke: „Die Digitalisierung ist Herausforderung und Chance zugleich. Viele Mittelständler zögern in der Initiierung der Digitalisierung trotz der Chancen, insbesondere im Bereich der Produktivitätssteigerung. Sie stehen vor dem komplexen Thema Digitalisierung und finden häufig keinen Ansatzpunkt. Hier gilt es, den „Elefant in Scheiben zu schneiden“ und schrittweise vorzugehen, und nicht, den gesamten digitalen Wandel in einem großen Projekt bewältigen zu wollen. Ebenso wissen viele Unternehmen gar nicht um die bestehenden Fördermöglichkeiten im Bereich Digitalisierung. Sie sehen oftmals sprichwörtlich „den Wald vor lauter Bäumen nicht“. Auch sind viele Unternehmen natürlich aktuell noch gut ausgelastet und sehen wenig Bedarf für Veränderung und vertagen diese. Die Verschleppung von Entscheidungen aufgrund mangelnder Kenntnis und Bereitschaft stellt aber ein großes Risiko für kleine und mittlere Unternehmen dar. Denn die Geschäftsmodelle verändern sich gerade rasant.“
Wo oder wie sollen Unternehmen mit dem Thema „Digitalisierung“ starten?
Hans Jürgen Meier: „ Die wahrscheinlich wichtigsten Ansatzpunkte für die Bewältigung digitaler Veränderungsprozesse sind die Kompetenzen der eigenen Beschäftigten. Zu Beginn eines solchen Prozesses sollte immer die Frage stehen, ob die eigenen Leute bereits ausreichend befähigt sind. Ebenso ist die beteiligungsorientierte Erarbeitung eines Handlungsplanes sehr wichtig, um Chancen und Risiken der Digitalisierungsschritte abzuwägen und die Entwicklung des Personals voranzutreiben.“
Sie setzen aktuell das ESF-kofinanzierte Projekt „DINE NRW: Digitale Netzwerker/-innen Östliches Ruhrgebiet“ um. Was muss man sich darunter vorstellen?
Hans Jürgen Meier: „Wir erproben modellhaft, wie die Voraussetzungen für einen erfolgreichen digitalen Wandel in kleinen und mittelständischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie und des Handwerks gemeinsam mit den Sozialpartnern aus Unternehmensverband und Gewerkschaft gestaltet werden können. Der besondere Fokus liegt hierbei auf der Kompetenzerhebung, der Qualifikation und der Förderung der Beschäftigten.“
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?
Andreas Franke: „Auf eine griffige Formel gebracht: Technik und Mensch miteinander verheiraten! Oder die Koppelung digitaler Kompetenzen und digitaler Geschäftsmodelle und es somit den Betrieben ermöglichen, ihren Weg der Digitalisierung zu gehen.
Ziel ist es, Unternehmen bei der Digitalisierung von Prozessen durch die Erfassung ihrer Handlungsbedarfe und die modellhafte Gestaltung ihrer Personalentwicklung zu unterstützen.
Wir begleiten, beraten und schulen die Projektbetriebe bei der Geschäftsprozess- und Kompetenzanalyse, der Erstellung eines betrieblichen Handlungsplans, durch Trainings, Coachings und Sicherstellung des Transfers der Erkenntnisse. Wir stützen uns hierbei vor allem auf die Erfahrungen aus den vier Vorgängerprojekten, die wir in den vergangenen Jahren umgesetzt haben. Waren diese jedoch eher erkenntnisorientiert, geht es uns bei DINE vor allem um die Umsetzung in den Unternehmen.
Insbesondere beschäftigt sich das Projekt mit folgenden Themen:
- Ableitung eines betrieblichen digitalen Handlungsplans
- Erfassung der individuellen und überbetrieblichen (Netzwerk-)Kompetenzen zur Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten
- Anpassung von Führungsverhalten und Führungskultur
- Verankerung des digitalen Wissens in der Organisation, um digitalisierte Geschäftsmodelle beteiligungsorientiert zu entwickeln und erfolgreich zu betreiben
Hierdurch erhalten unsere Teilnehmer Unterstützung bei der Digitalisierung, vor allem zur Erschließung neuer Geschäftsfelder, der Implementierung von Geschäftsprozessen und der Vermittlung der hierfür nötigen Kompetenzen. Gefördert wird das Projekt im Rahmen der ESF-Sozialpartnerrichtlinie.“
Aus welchen Bereichen stammen die zehn teilnehmenden Unternehmen und wie haben sie diese erreicht?
Dr. Marcel Beller: „Die Unternehmen stammen aus verschiedenen Bereichen, die Bandbreite erstreckt sich über die Branche Metall und Elektro, über das Handwerk bis hin zu den Bereichen Bildung und IT.
Bei der Motivation zur Teilnahme waren Mund-zu-Mund-Propaganda, gewonnenes Vertrauen aus den Vorgängerprojekten und belastbare Netzwerke wichtiger als jede Werbung.“
Welchen Mehrwert hat eine Teilnahme am Projekt „DINE NRW: Digitale Netzwerker/-innen Östliches Ruhrgebiet“ für KMU?
Dr. Marcel Beller: „Die Unternehmen erhalten vor allem Klarheit über den eigenen Digitalisierungskurs. Gemeinsam begleiten wir sie bei der Prozessanalyse, unterstützen bei der Zielklärung, ziehen eine Kompetenzbilanz und erarbeiten einen Maßnahmenplan. Bei der Umsetzung helfen wir durch die Organisation von Trainings.
Ebenso bieten wir den Unternehmen einen Rahmen zum Austausch untereinander, mit Betrieben aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern mit unterschiedlichen Herausforderungen im Bereich Digitalisierung.
Der finanzielle Aufwand für die Unternehmen ist verhältnismäßig gering. Sie müssen lediglich Zeit für Schulungen und Workshops mitbringen und Projektlotsen stundenweise freistellen. Die Fördermittel decken die Aufwendungen für die Beratung und in der Regel auch für externe Trainer ab. Eine gesunde Portion Interesse und Engagement ist natürlich auch nicht schlecht.“
Wie sieht die operative Umsetzung aus? Wie schaffen Sie es, dass die Teilnehmer das Projekt mit den Herausforderungen des Unternehmensalltags verbinden können?
Andreas Franke: „Wir haben hierzu unsere sogenannte „digitale Leiter“ entwickelt, das heißt, wir stimmen unsere Maßnahmen und Workshops auf den operativen Prozess im Betrieb.
So ist es uns möglich, die Inhalte flexibel an die betriebliche Situation und den operativen Druck im Unternehmen anzupassen.
Gemeinsam mit unseren Teilnehmern betrachten wir die drei Dimensionen Technik, Mensch und Prozesse, erfassen die Kompetenzen entlang von Prozessen und setzen Implementierungsprozesse neu auf. Die Soll-Kompetenzen werden zusammen mit den Beschäftigten erhoben, ein Schulungsplan erstellt und die Trainings gemeinsam geplant.
Das kann zum Beispiel so aussehen: Bei einem Anlagenbauer wird ein neues, digitales Geschäftsmodell aufgesetzt. Das Produkt ist im Kern eine Monitorsystem zur digitalen Anlagenüberwachung. Vom Vertrieb bis hin zur den Servicemitarbeitern im Feld muss ein neuer „Business Case“ beherrscht werden, somit werden neue oder erweiterte Kompetenzen gebraucht. Entlang der der neuen Prozesslandschaft wurden die Kompetenzen mit den operativen Führungskräften unter Beteiligung von HR digital in dem mpool-Tool „Makom“ aufgenommen und detailliert beschrieben. Die Beschäftigten aus den Bereichen wurden im Anschluss um Ihre Selbsteinschätzung (IST) gebeten. Aus dem „Gap“ hat das DINE-Team zusammen mit dem Anlagenbauer einen detaillierten Trainings- und Coaching-Plan entwickelt und in Teilen bereits erfolgreich umgesetzt.“
Wie werden die Beschäftigten zur Teilnahme motiviert?
Martin Hilbig: „Wir legen einen besonderen Fokus auf die Beteiligungsorientierung, „DINE“ ist keine Alleinveranstaltung für die Geschäftsführung. Unsere Botschaft lautet: „Es geht um euch und eure Kompetenzen!“. Im Prozess selbst machen wir Beschäftigte zu Projektlotsen, welche die Umsetzung des Projektes im Betrieb vorantreiben. Wichtig ist auch, dass größtmögliche Transparenz herrscht. Hierzu aber wir unterschiedlichen Formate, wie beispielsweise den „heißen Stuhl“, etabliert. Hier beantworten Experten und/oder Geschäftsführung offen und ehrlich die Fragen der Beschäftigten. So wollen wir zur Prozesstransparenz beitragen.
Ein bisschen betreiben wir auch Tabubruch. Bei technologischen Innovationen hört man oft „Ich kann das nicht bedienen!“. Wir brechen diese Tabus auf, beschreiben, was sich wie an welchen Arbeitsplätzen ändern wird und zeigen Lösungen auf. Digitalisierung muss immer betriebsspezifisch und ganzheitlich gedacht werden, ein Gießkannenprinzip, bei dem nur willkürlich bestimmte Teile des Geschäfts digitalisiert werden, ohne die anderen mitzudenken, funktioniert nicht. Und ja, ab und an müssen wir auch Ängste vor der Digitalisierung nehmen und zeigen, dass sie den richtigen Weg für das Unternehmen darstellt.
Besonders wichtig ist es auch, den Faktor Zeit zu beachten. Verhalten und Kompetenzen von Beschäftigten verändern sich nicht auf Knopfdruck. Veränderung geht nur über die Kooperation mit den Beschäftigten und die braucht manchmal Zeit. Diese Zeit muss man auch geben und nicht versuchen, von heute auf morgen Digitalisierung übers Knie zu brechen.“
Wo stehen Sie aktuell im Projekt? Welche Erfolge konnten Sie erzielen?
Dr. Marcel Beller: „Wir haben ein breites Spektrum an Betrieben erreicht, sie in das Projekt eingebunden und verfügen über ein Repertoire an erprobten Tools. Aktuell läuft die Transferphase, in der wir die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse in die Unternehmenspraxis multiplizieren.“
Wie unterstützen Sie die Unternehmen bei der Umsetzung der erarbeiteten Strategien für den digitalen Wandel?
Martin Hilbig: „Bei den ersten teilnehmenden Unternehmen haben wir bereits einen detaillierten Schulungsplan erarbeitet und zum Teil selbst Schulungen durchgeführt. Zudem haben wir einen digitalen Handlungsplan konzipiert, der von den Unternehmen nach Projektende eigenständig weitergeführt werden kann. “
Wird es am Ende des Projektes ein „Produkt“ geben, um den Transfer auch auf andere Unternehmen und Branchen zu ermöglichen?
Andreas Franke: „Ja, wir haben bereits Konzepte für Praxisworkshops und weitere Trainingsformate erstellt und erprobt. Weitere Transferprodukte sind in Abstimmung. Und Ideen für gute Folgeprojekte haben wir natürlich auch!“
Können interessierte Unternehmen noch am Projekt teilnehmen?
Andreas Franke: „Nein, leider ist eine direkte Beteiligung jetzt nicht mehr möglich. Allerdings planen wir in 2020 noch weitere Transferveranstaltungen zu den wir interessierte Unternehmen gerne begrüßen.“
Weitere Informationen zum Projekt DINE NRW:
https://www.digitale-netzwerker.de/
Kontakt:
mpool consulting GmbH
Projekt DINE
c/o Dipl. Biol. Andreas Franke
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